Sammlungsobjekte haben eine Beziehungsgeschichte!
Dr. Theresia Anwander, Ethnologin, Kuratorin und Ausstellungmanagerin am vorarlberg museum, hat sich auf den Weg nach Graz gemacht, um im Heimatsaal des Volkskundemuseums am Paulustor gemeinsam mit dem Museumsforum Steiermark ein Werkstattgespräch zu gestalten. "Objektgeschichten schreiben" lautete der Titel. Nicht zufällig haben wir den Termin noch vor dem Ende der Einreichfrist zum Projekt "Wer bist du: Steiermark?" gewählt, denn für die Einreichung mussten drei (Haupt-)Fragen in wenigen Sätzen beantwortet werden.
- Welche Geschichte können Sie zum Objekt erzählen?
- Welche Bedeutung hat das Objekt bzw. seine Geschichte für die Region bzw. den Ort?
- Welche Bedeutung hat das Objekt bzw. seine Geschichte für das Museum?
Es ist gar nicht so einfach, eine kurze Geschichte zu schreiben, die beides kann: Informationen transportieren und Emotionen hervorrufen. Voraussetzung ist, dass man Informationen zum Objekt hat, denn "so leicht ist es gar nicht, jemanden zum Erzählen zu bringen", sagt Dr. Anwander, die auch zugibt, dass selbst in einer großen Institution oft viel zu wenig Zeit bleibt, um umfangreiche Aufzeichnungen zu Objekten zu machen, die neu in die Sammlung aufgenommen werden.
Ohne Hintergrundinformationen bleibt ein Objekt, was es ist: ein materielles Zeugnis. Expert*innen können eine zeitliche Einordnung vornehmen, sie können Herstellungstechniken bewerten und Materialien bestimmen. Spannend wird es aber erst, wenn es eine Geschichte über die reinen Fakten hinaus zu erzählen gibt.
Stellen Sie sich vor, Sie stehen vor einer Vitrine und sehen dort ein Perlentäschchen liegen. Sie staunen nicht schlecht über die Feinheit der Arbeit und Sie fragen sich, wie eine Nadel durch diese winzigen Perlen passt. Stellen Sie sich vor, dass es auch eine Geschichte zu diesem Objekt gibt. Ein Mädchen hat das Uhrentäschchen während vieler Stunden mühevoller Handarbeit hergestellt und als Liebesgabe ihrem Liebsten geschenkt. Die Namen der beiden sind ebenso bekannt wie die Gegend, aus der das Sammlungsobjekt stammt. Vielleicht wird Ihnen warm ums Herz und Sie erinnern sich an die eigene erste Liebe.
Foto: UMJ/B. Schönhart | Perlenarbeiten aus der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts
Mit vielen Beispielen aus dem vorarlberg museum hat uns Dr. Anwander gezeigt, wie Inhalte in kurzen Texten spannend vermittelt werden können. Ihr ist es besonders wichtig, die Besucher*innen mit auf eine Reise zu nehmen und möglichst viele Menschen anzusprechen.
Als Anregung hat sie uns noch einen Tipp gegeben: Bücher für Erwachsene und Kinder in den Ausstellungsräumen zum Lesen zur Verfügung zu stellen. So können alle Besucher*innen so viele Informationen einholen, wie es ihrem persönlichen Bedürfnis entspricht.
Besuchen Sie die Online-Ausstellung "Top 100" des vorarlberg museums!
Die Kurator*innen des Museum wählten ihre "Lieblingsobjekte" und verfassten auch die Texte zu den Objekten. Platziert wurden diese ohne kuratorisches Konzept im Ausstellungsraum. Dadurch entstanden Blickachsen, die nicht geplant waren und die selbst die Mitarbeiter*innen des Hauses staunen ließen. So ergab sich, ohne es geplant zu haben, z. B. eine Blickachse über ein Konvolut von Figurinen mit Burkas hin zu einem gekreuzigten Christus. Erstaunlich, was geschehen kann, wenn man den Dingen seinen Lauf lässt!
Der Katalog zur Ausstellung kann zum vergünstigten Preis (15 Euro) beim Museumsforum Steiermark erworben werden.
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