Über stillende Göttinnen, den Berg der Frauen und Sauerteigmütter
Der Frauenberg ist ein Jahrtausende alter Kultplatz, der bereits in der Keltenzeit einer jener "angesagten" Orte im Südostalpenraum war, an dem Frauen mit ihren sehnlichsten Wünschen Zuflucht fanden und weibliche Gottheiten verehrt wurden.
Auf ihren Spuren wandelten wir: Ausgehend von der Stillenden Muttergöttin mit Wickelkind, deren Geschichte Sie hier nachlesen und -schauen können, drehten sich unsere Gedanken und Gespräche an diesem Nachmittag ebenso um typisch weibliche Tätigkeiten von anno dazumal: um Haushaltsgeräte, antike Rezepte und Geschmäcker, um Hausmittelchen und um römische Kräutergärten als Arznei- oder Gewürzschrank. Wir unterhielten uns über die obligate Myrte im Brautstrauß und als Mittel gegen Bauchweh. Frauen waren seit jeher heilkundig!
Wir hörten von Männern geschriebene Texte über die Damenwelt, vom schrecklichen Ende des verfressenen Apicius und lasen bei Cato nützliche Tipps zur gesunden Lebensführung nach. Auch die Archäologie als solche kam nicht zu kurz – mit Geschichten und G’schichterln über die Bergung von Fundstücken wie jene des Strettweger Kultwagens durch Ferdinand Pfeffer …
Was für ein Glück, dass auch die Mesnerfamilie vom Frauenberg nicht sofort dieses und jenes Fundstück aus dem eigenen Garten entsorgte!
"Jetzt müssen wir Männer uns auch noch mit der Muttergöttin auseinandersetzen …" Ob dieser Ausspruch so oder ähnlich oder überhaupt von einem Archäologen angesichts der vielen am Frauenberg gefundenen Statuetten getätigt wurde, dafür wollen wir uns hier nicht verbürgen! Wie auch immer – der Fund brachte damals viel Bewegung in die männerdominierte Forschung: Wir nehmen heute an, dass die Köpfchen der Göttinnen in römischer Zeit zerschlagen wurden – vermutlich, um sie zu entweihen und den heidnischen Kult auszulöschen. Marina Stiegler gibt den weiblichen Statuetten heute in ihrer aktuellen Installation wERDEN am wunderschönen Freigelände des Frauenbergs die Köpfe in Form von Lehmskulpturen zurück. Bei einem Rundgang durchs Museum lernen wir sogar noch eine andere Vorfahrin vom Frauenberg kennen …
Glücklicherweise ist der Brotteig mit der Sauerteigmutter schon vorbereitet und auch das mühselige Mahlen des Mehls bleibt uns heute erspart. Versuchen dürfen wir es aber schon!
Und weil wir das Feuer auch nicht so wie früher mit Feuerstein auf Pyrit bzw. mit Feuerstein auf Schlageisen und verkohlten Baumwollstückchen entzünden müssen, raucht und knistert es schon bald fröhlich vor sich hin: Wir können die Brotlaibe jetzt in den Lehmbackofen einschießen. Davor aber noch geschwind den Ofenboden von Kohle befreien und mit dem sogenannten "Hudelwusch" reinigen und befeuchten! Offen musste bleiben, ob die Redewendungen "Hudriwudri" oder "Du Hudriwusch" mit diesem nassen, an einer Stange befestigten Fetzen zusammenhängen …
Nach getaner Arbeit genießen wir das frisch gebackene Brot bei Mulsum, dem römischen Gewürzwein, Moretum und Olivenaufstrich aus der Römerzeit. Wir lassen einen wunderbaren, alle Sinne ansprechenden Nachmittag Revue passieren und reden über Göttinnen und die Welt und darüber, wer als Kind sein Brot wie am liebsten gegessen hat: als Zuckerbrot oder doch mit Butter und Radieschen? Mit Schmalz oder lieber mit Benko? Wir teilen Erinnerungen an mehr oder weniger gelungene Sauerteigversuche in der Corona-Zeit und an den spannenden Überraschungsmoment jedes Mal beim Öffnen der Ofentür …
Eine Teilnehmerin schwärmt vom "unvergleichlich intensiven Geschmack" des ersten Bissens Brot beim Fastenbrechen nach dem Heilfasten. Eine andere Besucherin erinnert sich an das "vorn runterhängende Toastbrot" beim letzten Großbritannien-Urlaub, auch Italien-Urlauber*innen freuten sich übers gute Schwarzbrot daheim …
"Schade, dass die meisten Bäckereien heute schon auf Fertigmischungen umgestiegen sind."
"Wir haben daheim bis 1990 selbst Brot gebacken, in einem ähnlichen Ofen, und das hat wirklich so viele Stunden gedauert wie heute …"
"Mein Opa hegte und pflegte seinen Sauerteig wie einen wertvollen Schatz" – selbst der Kachelofen musste so konzipiert werden, dass vorne das Brot Platz hatte.
"Der Himmel muss weiß glühen", meinte meine Oma immer.
"Das Teigkneten einmal die Woche war Schwerstarbeit. Ich kann mich gut an die dadurch so knöchernen Finger meiner Tante erinnern."
Und der Duft von frischem Brot liegt uns allen heute wohl noch in der Nase …