04 | 09 | 2024
Elisabeth Schlögl

"Sollte ich die Steiermark je verlassen, das Kernöl würde ich mitnehmen … und meinen Mann natürlich auch."

Im Heimat.Museum im Tabor in Feldbach ging es am 29.8.2024 um viele persönliche Geschichten und Erlebnisse mit dem – in unserer Runde – allseits beliebten steirischen Kürbiskernöl. Nach der einführenden Geschichte über das Weiberl, das Manderl, den Ölschlägel einer Ölkuh von Beatrice Strohmaier kamen wir mitten im Museum zwischen sogenannten Ölkühen ins Plaudern und ins Schwärmen.

Hier können Sie die Geschichte rund um die Ölkuh nachlesen und nachhören: www.werbistdusteiermark.at.

 

"Was wir am meisten vermissten, wenn wir unterwegs waren, waren das Kernöl und das Schwarzbrot", stellte gleich eingangs ein Teilnehmer fest. Die Perspektiven von außen auf das steirische Öl war mehrmals Thema am Nachmittag in Feldbach:

 

"1976 sind meine Cousins aus Spanien hierhergekommen, die waren an das Olivenöl gewöhnt. Sie brachten sogar ihre Köchin mit, die schockiert darüber war, dass es kein Olivenöl gab – das musste man damals teuer in der Apotheke kaufen." Erzählte beispielsweise Andreas Bardeau – der Schlossherr von Schloss Kornberg. Der Sohn von Leopoldine Thaller, deren Sammlung den Grundstock für das Heimat. Museum im Tabor bildet – Günther Thaller – war ebenfalls Gesprächsteilnehmer. Als ehemaliger Einzelhändler wusste er zu ergänzen: "Das Olivenöl war schon auch im Einzelhandel erhältlich, das sog. Olio Sasso in grünen Blechkanistern, allerdings war die Nachfrage sehr gering und es war sehr teuer."

Vom Öl "der anderen" wieder zurück zum steirischen Kürbiskernöl, wussten auch einige "Zuagroaste" [Menschen, die an einem Ort leben, an denen sie nicht geboren wurden] noch von ihren ersten Begegnungen mit dem schwarzen Öl zu berichten. "Anfangs standen zwei verschiedene Salate am Tisch", erzählte eine Ehefrau, denn der aus Vorarlberg stammende Ehemann "dachte anfangs schon eher an Motoröl, das war schon eigenartig für mich".

 

Von kulinarischen Erfahrungen erzählten auch weitere Teilnehmer*innen:

"In der Mitte der 1980er-Jahre war eine Frau aus Steyr bei uns zu Gast, die den Salat nicht anrührte. Auf die Nachfrage, ob sie denn keine Salate esse, meinte sie ‚doch schon, aber nicht mit Altöl‘". Dem entgegnete ein Kernöl-Fan: "A Schuss Kernöl macht jede cremige Suppe zum Geschmackserlebnis", und andere: "Wir essen Kernöl überall dazu – auch zum Vanilleeis, da entwickelt es eine Pistaziennote". "Ich erinnere mich an meinen Opa, der hatte eine Vorliebe für Öltunka – in einem Suppenteller kamen Kernöl, ein Schuss Schlagobers oder Milch, manchmal ein gekochtes Ei, Zwiebel und Salz. Mit Schwarzbrot-Rauten haben wir den Suppenteller ausgetunkt – da habe ich liebend gerne mitgejausnet – heute vertrage ich die deftige Jause nicht mehr."

Kürbiskernölverkostung – das vielseitige Gemüse und ein Hangman-Wort-Tipp

 

Hinter dem Produkt Kernöl steckt(e) allerdings viel Arbeit. "Als Kinder hat man uns zum Auspatzln [Auslese der Kerne aus dem Kürbis] aufs Feld geschickt. Die Erwachsenen lockten uns damit, dass man vom Kürbisputzen schöne weiche Hände bekommt."

"Meine Großmutter wurde sogar mal beim Auspatzln fotografiert, und zwar von der bekannten Fotografin Inge Morath." Allerdings nicht im Dirndl – wie es die steirischen Werbeprospekte in den 1960er- und 1970er-Jahren zeigten, sondern mit Arbeitsschürze. "In den Tourismusbroschüren trugen die Frauen das Sonntagsdirndl beim Auspatzln."

 "Bis in die 1930er-Jahre musste man die Kürbiskerne nach dem Auspatzln und Trocknen einzeln schälen – das war eine langwierige Arbeit, die die Bauern im Winter verrichteten." "Den schalenlosen Kürbis gab es erst in den 1950er-Jahren, er wurde in Gleisdorf gezüchtet", wusste die Feldbacher Stadträtin Sonja Skalnik zu berichten.

"Die Kerne haben die Bauern oft bei uns eingelagert und dann übers Jahr Öl dafür geholt, wie sie es brauchten", erzählte auch Diana Berghofer von der Berghofer Mühle aus Fehring, die mit einer beeindruckenden Familiengeschichte und 800-jähriger Mühlentradition vieles beizutragen hatte über die Lagerung und Gewinnung von Kernöl – übrigens: "Auch geöffnetes Kernöl kommt nicht in den Kühlschrank, da verliert es an Geschmack."

 

Heinz Kranzelbinder vom Römerzeitlichen Museum Ratschendorf erzählt über die Funktion einer römerzeitlichen Handdrehmühle und die Ähnlichkeiten zu einer Ölkuh.

 

Weit in die Geschichte zurück blickten wir auch mit den Geschichten von Heinz Kranzelbinder vom Römerzeitlichen Museum Ratschendorf. "Ein Weiberl und ein Manderl, also ein Positiv und Negativ, weisen auch die frühgeschichtlichen Mühlsteine auf, die hier in unserer Landschaft abgebaut und verwendet wurden, um Mehl – aber wohl eher Getreideflocken – herzustellen."

 Und hier geht es zur besagten zweiten Geschichte des Nachmittags rund um den Läuferstein (catillus) einer römerzeitlichen Handdrehmühle.

 

Der lukullische Nachmittag ging schnell vorüber, selbst beim Verkosten der Kernölprodukte, die Beatrice Strohmaier für alle Teilnehmer*innen besorgte, wurden noch Kernölgeschichten preisgegeben.

 

Am 14.09.2024 laden wir Sie herzlich zum Gespräch ins Murauer Handwerksmuseum rund um Pionierinnen und die medizinischen Geräte von Dr. Erika Walland-Zwicknagl ein. Am 25.10.2024 findet das vorerst letzte Gespräch im Tempelmuseum Frauenberg in Leibnitz beim gemeinsamen Brotbacken rund um die Stillende Göttin mit Wickelkind statt.

Wir freuen uns auf Ihre Geschichten und persönlichen Erinnerungen!

 

Alle Fotos: UMJ/E. Schlögl