02 | 02 | 2024
Elisabeth Schatz

Vom Narzissenblühen und Ofenglühen

Zwei sehr konträre Themen und Naturräume verbindet unsere heutige Reise in die Obersteiermark: Im Mariazellerland besuchen wir das Mariazeller Heimathaus, wo sich diesmal alles um grün-weiße Narzissenwiesen dreht, um Frühlingsfeste und die touristische Vermarktung der Natur. Im Geschichteclub Alpine hingegen geht es ums Glühen des Hochofens und um den harten Arbeitsalltag der Stahlarbeiter, dem wir am rostrot eingefärbten Industriestandort Leoben-Donawitz nachspüren.

Begleiten Sie uns auf unserer Zeitreise durch die wechselvolle Geschichte Mariazells! Lange vor dem ersten Bad Ausseer Narzissenfest wurde der Narzissenkorso im Mariazellerland gefeiert – das Fest zu Ehren der Tausenden Narzissen, die auf den Hängen Mariazells duften und blühen, wenn der Frühling ins Land einzieht.  

Der zwischen 1951 und 1961 in Mariazell abgehaltene Korso wurde gut beworben und entwickelte sich rasch zum Tourismusmagneten und gefeierten Medienevent, bei dem sich sogar die bekanntesten österreichischen Film- und Schlagerstars die Türklinke in die Hand gaben. Für den Korso wurde eine kunstvolle Narzissenkrone gefertigt, die Teil unseres Projekts "Wer bist du: Steiermark?" ist. Die ganze Geschichte darüber und auf welchem Weg sie vom Brauhaus Girrer ins örtliche Naturkundemuseum gelangte, erfahren Sie hier.  

Besagte Narzissenkrone hat uns jedenfalls heute ins Mariazeller Heimathaus geführt, wo wir von Erika Gillich und Andreas Schweighofer erwartet werden. Wir erfahren, weshalb die Krone ein wichtiges Leitobjekt des neuen Naturkundemuseums ist und dass Bildungsarbeit im Kinder- und Jugendbereich hier mit Herzblut betrieben wird. Insbesondere die jungen Gäste sollen durch altersadäquate Vermittlungsprogramme für die vielfältige Geschichte und die Natur des Mariazellerlandes sensibilisiert und begeistert werden. Die Veranstaltung des Korsos nimmt man sich hier zum Vorbild: Damals wurde die Natur touristisch genutzt und es haben sich Tausende von Menschen davon angezogen gefühlt. So soll das heute im Heimathaus Mariazell auch funktionieren.  

Dafür steht die Krone, die übrigens auf einer Drehscheibe präsentiert wird, damit die Besucher*innen auch alle Namen der Königinnen lesen können, die darauf eingraviert sind.

Andreas Schweighofer ist ein Mann, der es geschafft hat, das Museum auf ein erstaunliches Niveau zu heben. Eine EU-Leaderförderung machte die völlige Neugestaltung des Naturkundemuseums möglich: Das klassische Heimatmuseum existiert hier ganz selbstverständlich neben modernen Themenausstellungen und Schauräumen. Im Heimatbereich erleben wir die ereignisreiche Geschichte Mariazells, im neuen Naturkundemuseum die frühe Geschichte des Wallfahrtsortes sowie die Fauna und Flora der Umgebung, während im Jagdmuseum bäuerliche, bürgerliche und adelige Jagd Thema sind. Alle Ausstellungen sind ausgesprochen gut aufbereitet, informativ, abwechslungsreich und ästhetisch ansprechend gestaltet. Nicht nur die geleistete Hintergrundarbeit, auch das Depot versetzt uns ins Schwärmen …

Schauen Sie doch auch hier vorbei und erleben Sie ein Stück Heimat auf vielfältigste Art und Weise. Für Ihren Weg ins Heimathaus  – es befindet sich nur 500 Meter vom Mariazeller Hauptplatz entfernt in einem historischen Gebäude des 17. Jahrhundert –, werden Sie belohnt, versprochen! Interessierte haben auch Gelegenheit, durch Übernahme einer Objektpatenschaft das Mariazeller Heimathaus zu unterstützen und sich dadurch aktiv am Erhalt regionaler Zeitzeugnisse zu beteiligen.

Einige Frühlingsboten recken bereits jetzt schon (zumindest bei uns in Graz) einen Monat vor dem metereologischen Frühlingsbeginn ihre Köpfchen aus der Erde - haben Sie sie bemerkt?

Foto: UMJ/B. Schönhart

 

Ein 45 cm langes, 1901 gefertigtes Eisenbahnstück führt uns anschließend nach Leoben-Donawitz. Es ist Symbol steirischer Stahlerzeugung und -verarbeitung, der industriellen Entwicklung um 1900, aber auch Symbol der schwierigen Arbeits- und Lebensbedingungen der hier im Werk tätigen Menschen. Erfahren Sie hier mehr über das Teilstück einer Eisenbahnschiene, das Herbert Pöckl aus dem Geschichteclub Alpine bei "Wer bist du: Steiermark?" eingereicht hat. Selbstverständlich kommt auch bei dieser Geschichte der "steirische Prinz" mit ins Spiel – aber mehr dazu ein anderes Mal!

Das Metallurgie Museum Donawitz wurde 2002 vom Geschichteclub Alpine gegründet. Hier findet man eine liebevoll und aufwendig gestaltete Sammlung von Quellenmaterialien der heimischen Stahlgeschichte, die anhand von Exponaten und vor allem durch 25.000 digital aufbereitete Fotos wieder lebendig gemacht wird.  

Jahrelange Arbeit mehrerer engagierter Männer steckt in diesen Räumen, unter ihnen der langjährige Obmann Horst Lackner oder Kurt Marek, die ihre Arbeitsleben im Alpine-Werk verbracht und ein umfangreiches analoges Archiv aufgebaut haben.

Der pensionierte Zahntechniker und heutige Vereinsobmann Herbert Pöckl nutzte schließlich die Coronapandemie und hat selbst in monatelanger Arbeit mit einem kleinen Team das historische Material digitalisiert und schließlich 2022 das empfehlenswerte Buch Donawitz und das Werk herausgegeben.

Der Geschichteclub Alpine hat sich ganz der Erforschung der Voestalpine am Standort Leoben-Donawitz verschrieben und widmet sich den technischen Entwicklungen und Umstrukturierungen des Werkes ebenso wie dem wirtschafts- und sozialpolitischen Werdegang von Beginn an bis in die jüngste Gegenwart. Der Geschichteclub Alpine ist seit 2018 eine eigenständige Sektion innerhalb des Vereins "Freunde des Radwerkes IV in Vordernberg", das auch bei unserem Projekt mitgemacht hat – und dessen Objekt, das Dampfgebläse aus dem Jahr 1873, ebenso für das Projekt  nominiert wurde.  

Um ein wenig in die Geschichte einzutauchen, muss man im wahrsten Sinne des Wortes ein paar Stufen in den Keller der ehemaligen Sparkassenfiliale Leoben-Donawitz hinabsteigen und hie und da schwere, weiße Luftschutzkellertüren öffnen.  

Heute können Besucher*innen auf einem Großbildschirm 25.000 Bilder über das Werk und vor allem auch über den Stadtteil Donawitz abrufen. Eine Sitzecke in der Bibliothek lädt dazu ein, das umfangreiche analoge Archiv mit unzähligen Bildern, Schriftstücken, Zeitschriften und Büchern zu durchforsten und direkt in der Geschichte zu blättern.  

Für eine Werkführung bleibt uns heute leider keine Zeit mehr, aber wer die Stahlerzeugung und -verarbeitung live erleben möchte, hat hier Gelegenheit dazu. Die Tour durch Hochofen, Stahlwerk und Schienenwalzwerk ist einigen noch aus der Schulzeit in lebhafter Erinnerung, ebenso wie das Rostrot, in das die Werksumgebung getaucht ist bzw. früher noch ein wenig mehr war. Genießen Sie es, dem Weg des Roheisens zu folgen, und lassen Sie sich blenden – vom atemberaubenden Moment, wenn der Hochofen aufgebohrt wird, über das faszinierende Vergießen des Stahls in Blöcke bis zum Walzen der 120 Meter langen Schienen für den Einsatz rund um den Globus.

Foto: UMJ/B Schönhart