09 | 07 | 2024
Elisabeth Schatz

"Wer bist du: Steiermark? Making of - ungekürzt! Einblicke ins Projekt

Wir wollten es genau wissen und fragten die Teilnehmer*innen, die Mitglieder der Jury, unsere Kooperationspartner*innen und Projektmitarbeiter*innen im Rahmen der Katalogproduktion nach der eigenen Motivation, am Projekt teilzunehmen: Wie sind Sie vorgegangen bei der Auswahl bzw. Bewertung der Einreichung(en)? Welche Überraschungen und Erkenntnisse sind in Erinnerung geblieben? Was hat besonderen Spaß gemacht bei der Kommunikations- und Textarbeit, wie wurde der visuelle Auftritt entwickelt und: Wie hat das alles nachgewirkt?

Wie immer gab es im Katalog zu wenig Platz für so viel Geschichte/n – weshalb die Zitate hier im Blog nochmal ungekürzt nachzulesen sind. 

Wir wünschen viel Freude beim Schmökern!

Fragen und Antworten unserer Teilnehmer*innen aus den steirischen Museen

Was hat Sie motiviert, eine Objektgeschichte einzureichen?

Reingard Meier (Dorfmuseum Fladnitz im Raabtal, Kirchberg an der Raab):  Wir haben gehofft, dass unsere Objektgeschichte ausgewählt wird und unser Museum damit sichtbarer wird. Unser Dorfmuseum soll ein offenes Museum für Alt und Jung sein, das Verborgenes wieder hervorholt und neu beleuchtet.

 

Johannes Pfandl (Schaubergwerk und Museum Oberzeiring):  ,,Wer bist du: Steiermark?" ist eine willkommene Plattform, um den Kultur- und Geschichtsinteressierten unser Schaubergwerk Museum Oberzeiring näherzubringen. Viele Jahrhunderte sind seit der Hochblüte des Silberbergbaus in Oberzeiring vergangen. Archäologische Funde aus dieser Zeit, die im Museum ausgestellt sind und bei ,,Wer bist du: Steiermark?" präsentiert werden, rücken die damalige Zeit wieder ins Bewusstsein der heutigen Bevölkerung.  

 

Wie sind Sie vorgegangen bei der Auswahl Ihrer Einreichung(en)?  

Hannes Köck (Sensenwerk Deutschfeistritz):  Die Entscheidung für die Einreichung unseres Objektes, einer Linkshändersense, war eine spontane. Einerseits soll dieses Objekt bei der Betrachtung überraschen (ein Aha-Erlebnis bringen), weiters beinhaltet es auch die Geschichte der "Andersartigkeit" als Linkshänder*in und speziell auch die handwerkliche Fähigkeit des Sensenschmiedes, eine "seitenverkehrte" Sense herzustellen.  

 

Doris Hallama (Dachstein Museum Austriahütte, Ramsau am Dachstein): Durch die Neuaufstellung der Dauerausstellung in den letzten Jahren haben wir uns intensiv mit der Sammlung beschäftigt: Was sind das für Objekte? Welche Geschichten erzählen sie im Zusammenhang gerade mit unserer Ausstellung und wie kommen sie in unser Museum? Die Kletterschuhe mit Krempel waren hier ein Lieblingsobjekt, weil sie auf den ersten Blick (wie viele unserer Objekte) alltäglich und unauffällig sind. Durch ihre außergewöhnliche Sohle erzählen sie aber innerhalb der bekannten Entwicklungsgeschichte von Kletterschuhen in den Alpen ein ganz spezifisches Stück Regionalgeschichte.

 

Verena Lang (Schell Collection):  Bei der Auswahl der Objekte für das Projekt "Wer bist du: Steiermark?" war es zu Beginn wichtig, die Exponate mit Bezug zur Steiermark herauszufiltern. Teilweise war dies einfach zu bewerkstelligen wie bei den Gnadenschlüsseln aus Stift Rein bei Graz. Auch die Lovelocks mit ihrem Bezug zur Erzherzog-Johann-Brücke in Graz wurden von uns als thematisch relevante Exponate ausgewählt. Bei anderen Objekten war vorab ein Blick auf den jeweiligen Eintrag im imdas pro nötig. So fiel die Wahl für die dritte Einreichung auf ein Stammtischzeichen aus dem steirischen Ennstal (19. Jh.). Dieses wurde erfreulicherweise aus unseren Vorschlägen nominiert.  

 

Reinhold Glehr (Museum Hartberg):  Die Frage "Welches Objekt würde mir am meisten fehlen, wenn es nicht in der Ausstellung wäre?" war zielführend.  


Ulli Vonbank-Schedler (Murauer Handwerksmuseum):  Bei unseren Führungen ist eine Mischung aus Geschichte und G’schichtln, die an Objekten festgemacht werden, schon lange üblich. Seit ca. drei Jahren setzen wir Objektgeschichte auch bei der Präsentation von "Lieblingsstücken" im öffentlichen Raum ein. Über die Verknüpfung einzelner Exponate mit der Stadtgeschichte und den persönlichen Zugängen und Erinnerungen museumsnaher Personen öffnet sich den Betrachter*innen so über die Fakten-Wahrnehmung hinaus auch ein emotionaler Zugang. Die Auswahl der Objektgeschichten für die Einreichung war dann eine pragmatische und folgte der Überlegung: Für welche Objekte gibt es belegbare stadtgeschichtliche Anknüpfungspunkte, bei welchen ist die Provenienz klar und welche lassen sich darüber hinaus mit aktuellen Themen verknüpfen?

 

Heimo Kaindl (Diözesanmuseum Graz): Wir haben uns die Frage gestellt, welcher Heilige für die gesamte Steiermark seit Jahrhunderten eine wichtige Rolle in der Bewältigung der Alltagssorgen und Nöte spielt. In den Diskussionen hat sie die heilige Anna als die "Frauenpatronin" vom Mittelalter bis zur Gegenwart herauskristallisiert. Zudem haben wir hier ein besonderes Stück aus unserer Sammlung.  

 

Astrid Perner (Stadtmuseum Schladming im Bruderladenhaus): Auf der Suche nach guten Geschichten kann man im Museum aus dem Vollen schöpfen. Die Schwierigkeit lag daher nicht darin, ein passendes Objekt zu finden, sondern eine Auswahl zu treffen. Doch manche Gegenstände, wirken sie auch optisch noch so unscheinbar oder wenig wertvoll, können vor uns eine Erzählung ausbreiten, die uns nur staunen lässt. Von Ski-, Tourismus- und Technikgeschichte bis zu Pioniergeist und Erfindungsreichtum, Mut und Tatkraft – also von den umfassenden Fragen zu unserer Vergangenheit zu den ganz persönlichen, menschlichen Schicksalen kann uns der Weichsler-Lift – wohlgemerkt ein paar Holzstücke am Seil – Zeugnis geben. Faszinierend, oder?

Fragen und Antworten unserer Mitglieder der Jury und Kooperationspartner*innen

Simon Koiner-Graupp (Geschäftsführer Volkskultur GmbH): Als Kooperationspartner und Juror nahmen Sie mehrere Perspektiven ein. Wie sind Sie bei der Bewertung der eingereichten Objektgeschichten vorgegangen? Bei der Bewertung der Einreichungen war es mir wichtig, dass die ausgewählten Objekte das kulturelle Erbe der Steiermark und die Vielfalt der steirischen Museumslandschaft repräsentieren. Die ausgewählten Objekte sollen gegenwärtige oder vergangene Lebensrealitäten in den verschiedenen Regionen der Steiermark widerspiegeln. Dies kann auf kleinere, scheinbar unbedeutende Objekte ebenso zutreffen wie auf allgemein geläufige Gegenstände, die das Alltagsleben der Menschen in einer Region in hohem Maße präg(t)en. Die Präsentation dieser Objekte soll schließlich auch Antworten auf die Frage "Wer bist du: Steiermark?" geben.


  

Claudia Unger (Jurorin für "Wer bist du: Steiermark?", Leiterin Abteilung Volkskunde, Universalmuseum Joanneum): Welche Überraschungen/Erkenntnisse sind Ihnen beim Durchlesen der Einreichungsunterlagen in Erinnerung geblieben?: Die Vielfalt der eingereichten Objekte begeistert mich – die Steiermark hütet in ihren Museen einen wirklich reichen Schatz, der über das Leben der Menschen und die Geschichte des Landes erzählt. Mich fasziniert die Zigarettenstopfmaschine aus Fürstenfeld. Rauchwaren als Genussmittel sind für viele aus der Mode gekommen, man verbindet sie auch nicht mehr mit heimischem Anbau und regionaler Produktion. Dabei ist die Geschichte der Zigarette – gerade in Fürstenfeld – eine lange und spannende. Wer kennt noch Falk und Hobby? … Dass die Zigarettenstopfmaschine vor allem das Leben von Frauen beeinflusst und verändert hat, macht neugierig auf eine intensivere Auseinandersetzung mit der Industrialisierung der Region und den sozialen und wirtschaftlichen Veränderungen.  

 

Eva Heizmann: Als Jurorin und Texterin haben Sie sehr vielfältig am Projekt mitgearbeitet und sich intensiv mit den ausgewählten Geschichten beschäftigt. Haben Sie Zusammenhänge erkannt oder neue Schlüsse ziehen können? Die Arbeit mit den Objekten und ihren Geschichten war für mich eine sehr bereichernde und ließ mich ganz unterschiedliche Mosaiksteinchen steirischer Kulturgeschichte (wieder-)entdecken. Besonders spannend fand ich die historische Kontextualisierung der einzelnen Objektgeschichten. Mit diesem Museumsprojekt wird die gesellschaftliche Relevanz einer Auseinandersetzung mit unserem kulturellen Erbe neu ins Bewusstsein gerufen. Denn, um es mit den Worten von Helmut Kohl auszudrücken: "Wer die Vergangenheit nicht kennt, kann die Gegenwart nicht verstehen und die Zukunft nicht gestalten."

 

Heinz Kranzelbinder (Römerzeitliches Museum Ratschendorf): Wie hat Ihre Jurorentätigkeit nachgewirkt?  Trotz meiner langjährigen Erfahrung in der Museumsarbeit hat sich während meiner Tätigkeit als Juror und der daraus resultierenden intensiven Auseinandersetzung mit den eingereichten Exponaten – deren "Geschichten", die sich im zeitlichen Abstand und mit erweiterten Zugängen oft ändernden Sichtweisen auf diese und damit auf ihre "Erzählung" und Präsentation im Museum – auch etwas in mir ereignet: Die Erfahrung dieser Arbeit hat meinen Blick auf das Objekt und seine Erzählung erweitert und vertieft, mich gelehrt, noch genauer hinzusehen, um letztendlich noch reflektierter entscheiden und handeln zu können.

 

Fragen und Antworten unserer Projektmitarbeiter*innen

Laura Gruber (Grafikerin): Wie sind Sie vorgegangen, um für das Projekt einen visuellen Auftritt/ein Erscheinungsbild zu entwickeln? Als Startpunkt für das Design des Projektes diente ein umfassender Workshop-Tag. Aus den Übungen und Gesprächen ging hervor, dass vor allem der Aspekt des Entdeckens, Sammelns, Konservierens und die Wertschätzung für die Museumsbetriebe und deren Arbeit hervorgehoben werden sollten. Daraus entwickelte sich im Team die Idee, die einzelnen Objekte in Form von Collagen in Szene zu setzen und ihnen somit eine Bühne zu geben. Die Collagen-Sujets sollen zum Näher-Hinschauen und Entdecken einladen und bringen in Kombination mit der gewählten Farbpalette Frische und Verspieltheit in teils vergessene Geschichten.

 

Manuela Gsöll (Beratung Social Media und Kommunikation): Liebe Manuela, dank dir hat das Projekt seinen Titel – du gehörst zu den Projektmitarbeiter*innen der ersten Stunde – was hat dir besonders Spaß gemacht an der Kommunikationsarbeit für das Projekt?
Am meisten hat mich der Spirit und die Grundidee des Projekts fasziniert: den vielen ehrenamtlichen Mitarbeiter*innen der kleinen regionalen Museen und Sammlungen eine Bühne zu geben.  

Auch die Begeisterung und das überdurchschnittliche Engagement des Projektteams hat mich tief beeindruckt.  

Es hat wahnsinnig viel Freude bereitet, dieses Projekt mit meiner Expertise im Kommunikationsbereich begleiten zu dürfen – insbesondere dazu beizutragen, dass die einzigartigen Zeitdokumente unvergessen bleiben, wie auch die Menschen, deren wertvolle Arbeit hinter den Objektgeschichten stehen.  

 

Ariane Kolb (Museumsforum Steiermark): Was hat dir besonders Spaß gemacht an der Arbeit?  Am meisten Spaß macht mir am Projekt, die Menschen und ihre Arbeit mit den Objekten kennenzulernen. Eine Objektgeschichte wird durch die Menschen, die sie erzählen und ihr Leben einhauchen, besonders wertvoll! Durch die Steiermark zu reisen und so engagierte, vielseitige und hart arbeitende Menschen kennenzulernen, ist sehr beeindruckend. Wie sie von ihren Plänen und Ideen für die Sammlungen, Objekte und Ausstellungen berichten, steckt an und bereitet mir viel Freude.  

 

Doris Lind, als Texterin für die Objekttexte haben Sie sich intensiv mit den Geschichten auseinandergesetzt. Wie hat diese Beschäftigung bei Ihnen nachgewirkt? So stark, dass ich mittlerweile eine Tour durch die Steiermark begonnen habe, um einige Objekte in den regionalen Museen zu besuchen. Die Geschichten der Objekte erstaunten, berührten und inspirierten mich – vor allem finde ich es interessant, wie vielschichtig die steirische Identität ist. Es war eine riesengroße Freude, davon zu erzählen!